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Limburg-Weilburg
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Cybermobbing mit "Null-Toleranz" begegnen und Betroffene unterstützen:

Landgerichtspräsident Dr. Christoph Ullrich( v.l.n.r.), Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RING e.V. Bianca Biwer, Justitzministerin Eva Kühne-Hörmann (MdL), Kriminalhauptkommissarin Petra Kain Polizeipräsidium Weshessen, Wiesbaden – Joachim Veyhelmann (MdL), Initiator und Moderator der Veranstaltung. FOTO: Peter Ehrlich

Podiumsdiskussion im Bürgerhaus in Elz

Elz. Cybermobbing war das Thema zu dem Joachim Veyhelmann (MdL) nach Elz ins Bürgerhaus zur Podiumsdiskussion eingeladen hatte. Gerne gefolgt waren der Einladung: Justitzministerin Eva Kühne-Hörmann (MdL), Landgerichtspräsident Dr. Christoph Ullrich, Kriminalhauptkommissarin Petra Kain vom Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden und Bianca Biwer aus Mainz, die Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS e. V. Eingeladen waren Vertreter/innen aus dem regionalen Vereins- und Schulbereich sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger. Hessens Justitzministerin Eva Kühne-Hörmann (MdL) forderte eindringlich auf, ein Bewusstsein zu schaffen, die Brisanz der Internetkriminalität in den Blick zu nehmen. Die Bundesregierung hatte vor rund einem Jahr die digitale Agenda für Deutschland mit der Frage aufgelegt, wie mit den neuen Chancen und Gefahren der vernetzten Welt umzugehen sei - verbunden mit der Forderung des Bundesinnenministers nach dem sichersten Netz der Welt. Mit wenigen Klicks können Infrastrukturen zerstört und kriegerische Maßnahmen in Gang gesetzt werden, die aktuellen Ereignisse bis hinein in den Bundestag belegen eindrucksvoll, welchen Gefahren wir täglich begegnen. Die "Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zur Bekämpfung der Internetkriminalität" leistet eine hervorragende Arbeit und zeigt die Bedeutung der Schaffung solcher Strafverfolgungsbehörden und der schnellen Anpassung der rechtlichen Möglichkeiten zur Strafverfolgung und Ahndung der Vergehen. Der Fall des offensichtlich mit Cybermobbing in Verbindung gebrachten Suizids des 11jährigen Mädchens macht deutlich, dass es schwierig ist, Menschen vor Internetkriminalität zu schützen. Eine der modernsten Arten, so Kühne-Hörmann weiter, ist die Botnetzkriminalität , bei der über die Zusammenschaltung von mit Schadsoftware befallenen Rechnern Angriffe ausgeführt werden. So kann der heimische Rechner durchaus mit beteiligt sein, ohne, dass wir es wissen, warnte sie. "Dieses neue Phänomen braucht eine Antwort", forderte sie die digitale Agenda für das Strafgesetz - als Antwort auf die neue Zeit. Landgerichtspräsident Dr. Christoph Ullrich beschrieb das Internet als neuen Tatort in dem Beleidigung, Schmähung, Cybermobbing für das Opfer belastend seien. Auch er warnte besorgt vor den Möglichkeiten des Cyberwars, der Steigerung von Hackerangriffen, mittels derer Energieversorger oder andere Industrieanlagen gestört oder lahmgelegt werden könnten. Doch die Anonymität erschwert die Ermittlung zusammen mit der Komplexität der Technik. So gebe es nicht selten "Dienstleister", die "auf Bestellung" hacken. Darknet, Stuxnet, Verschlüsselungstechniken - sind die Gegner der Ermittlungsbehörden, doch solche Aktivitäten sei nicht spurenlos zu betreiben und so arbeiten in der bereits erwähnten Sondereinheit der Generalstaatsanwaltschaft Spezialisten, die seinerzeit in 2010 in Marburg gestartet sei - führend in der Bundesrepublik. Doch es fehlt das Unrechtsbewusstsein bei den Tätern, denn das, was wir als "neue Medien" bezeichnen, mit dem gehen die Jugendlichen täglich um"wie Leitungswasser" - sie sind damit groß geworden, sie leben und arbeiten damit. Es bringe daher wenig, so Dr. Ullrich weiter, es ihnen zu verbieten - vielmehr müsse die strafrechtliche Unterstützung gestärkt werden - zumal das Dunkelfeld nicht unerheblich sei. Aus Scham wenden sich viele Geschädigte nicht an entsprechende Hilfsstellen oder auch an die Polizei. Die Täter sind oft Jugendliche, doch man dürfe hierbei keineswegs außer Acht lassen, dass neben dem Täter und dem Opfer noch Mitläufer als Unterstützer wirken, und es Zuschauer und Wegschauer gebe, die gezielt wegschauen und es dulden oder billigend in Kauf nehmen. Das Strafrecht sei in vielen Fällen täterzentriert und das Opfer nur am Rande im Blick der Betrachtung. Das Thema Internet werde uns als Tatort weiter begleiten - er forderte alle auf, entsprechend präventiv und aufmerksam mitzuwirken. Kriminalhauptkommissarin Petra Kain unterstrich, dass man früher das Augenmerk auf die höheren Klassenstufen wie 7. oder 8. Klassen legte, bis man feststellte, dass dies bereits in den ersten Klassen längst ein Thema wurde. Das Zuhause ist nicht mehr sicher ! Umso wichtiger sei es, so Kain weiter, dass Lehrer das Thema offen thematisieren und Eltern sich mit den Kindern und deren Internetverhalten und den Gefahren beschäftigen. Sie forderte auf, das Thema mehrfach umfassend zu bearbeiten und am Ball zu bleiben. Wenn die präventive Arbeit fehle oder nicht ausreichend Erfolg gezeigt habe, dann sei die Intervention notwendig - der Weg zur Polizei oder der Weg der Polizei in die Schulen sind hierbei wichtige Möglichkeiten. Nicht selten kommt es vor, dass viele Opfer auch selbst wieder zum Täter werden, so verbreiten sich Cyber-Attacken rund um die Uhr rund um die Welt mit einer entsprechend großen Öffentlichkeit bei gleichzeitiger Anonymität der Täter. Die Schüler machen sich keine Gedanken über das Leiden des Opfers, welches leider immer mehr sogar tödlich enden kann - ein entsprechendes Opferverhalten wird, leider auch von den pädagogischen Kräften oder dem Elternhaus nicht wahrgenommen. Die Paragraphen §185 StGB (Beleidigung), § 186 StGB (üble Nachrede), §187 StGB (Verleumdung), § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes oder §210a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen) mögen hier nur Ansatzpunkte zur rechtlichen Seite in Form von Strafverfahren geben. Zivilverfahren mit Beseitigungs- /Unterlassungsansprüche oder sogar Schmerzensgeld zeigen die Dimensionen, die weit über schulische Ordnungsmaßnahmen hinaus gehen. Die Erfahrungen der Polizei, so Kriminalhauptkommissarin Petra Kain zeigen, dass es Schüler nicht alleine schaffen, solange es zugelassen wird, gibt es Mobbing - an jeder Schule. An Grundschulen tendenziell steigend. Daher unterstreicht sie ganz deutlich die Forderung nach NULL TOLERANZ gegenüber solchen Tatbeständen, den Cybermobbing ist nur eine Gefahr des Internet. Doch welche Maßnahme nach Erkennen eines Cybermobbing-Falls ist die richtige - dies gelte es im Einzelfall mit den Beteiligten  und zuständigen Spezialisten wie Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen, Schulleitung oder sogar der Hinzuziehung der Jugendkoordinatorin der Polizei abzuwägen. Diese kommt anlassbezogen in die Klassen -  die Wirkung einer "echten Polizistin in Uniform und mit Bewaffnung" ist hierbei nicht zu unterschätzen, bestätigten auch Lehrer im Publikum. Bianca Biwer, die Bundesgeschäftsführerin des WEISSEN RINGS bestätigte den Trend, dass sich das frühere "Mobbing" deutlich in den digitalen Bereich des Internets verlagert hat. Somit kann sich das Mobbing aus dem Klassen-/Sport- oder Sozialbereich per Mausklick zu einer vielfachen Belästigung entwickeln - das Opfer erträgt dies ohnmächtig und braucht Hilfe. Körperliche und seelische Schäden sind die Auswirkungen. So können Menschen zu Mobbern werden, die Mobbingverhalten im direkten Kontakt mit anderen Menschen niemals an den Tag legen würden - denn die Täter müssen die Opferreaktionen nicht sehen. Sie sind mit den Folgen ihrer Tat nicht direkt - also von Angesicht zu Angesicht - konfrontiert. Sind Inhalte und Bilder erst einmal online, können sie unbegrenzt weiter verbreitet und über lange Zeit von immer mehr Nutzern immer wieder abgerufen werden - dennoch kann Cybermobbing von Eltern und Lehrern sehr lange unbemerkt bleiben, da die Betroffenen aus Scham nicht bewusst um Hilfe bitten. Aus der Opferarbeit berichtet Biwer weiter, dass die gravierenden Auswirkungen solcher körperlichen und seelischen Folgen sich in Kopf- oder Bauchschmerzen darstellen, oder eine gesteigerte Nervosität, Müdigkeit oder Schlaflosigkeit zu beobachten seien. Auch Verhaltensauffälligkeiten wie plötzlicher Leistungsabfall in der Schule oder der beständige Wunsch, sich zurückzuziehen bis hin zum Selbstmord sind Folgen. Cybermobbing kann dort beendet werden, wo es passiert - Lehrer, Eltern und Schüler müssen Cybermobbing konsequent ablehnen - die Mobber mit dem Verhalten konfrontieren und Mitläufer darin stärken, das Mobbing sofort zu beenden. Ein klar geregelter Umgang und sanktioniertes Fehlverhalten bis zum juristischen Vorgehen und der Strafanzeige können weitere Möglichkeiten sein.  Bernd Borchert als Aussenstellenleiter der Aussenstelle Limburg-Weilburg berichtete ergänzend von den bereits seit längerer Zeit bestehenden Verbindungen an Schulen im Landkreis, die sich mit der Präventionsarbeit des WEISSEN RINGS bereits beschäftigen und hier an der Basis ansetzen. Auch sei das kostenlose WEISSE RING-Opfertelefon genannt: 116 006. Am Rande hatten die Besucher auch die Möglichkeit über die Arbeit der Opferhilfe Limburg und des Verbraucherschutzes Hessen zu informieren. Nach kurzer Diskussion wurde noch in zahlreichen Einzelkonversationen die Möglichkeit zum Austausch genutzt - eine Veranstaltung, wie der Moderator und Initiator Joachim Veyhelmann (MdL) am Rande mitteilte, die die Bedeutung des Themas und das hohe Interesse in der Gesellschaft zeigt - und Hoffnung gibt, hier Einhalt gebieten zu können. Denn der Auftrag geht an die Gesellschaft, aufmerksam zu sein und zu handeln - und Opfern zu helfen ! (Bericht & Bilder: Peter Ehrlich)